Eine Pilgerpatin erinnert sich: Es kommt mir vor wie letzte Woche

2008 standen 12 sehr aufgeregte, von Brustkrebs betroffene Frauen und ich am Kölner Flughafen, wir schossen noch ein Gruppenfoto, bevor Freerk Baumann sich von uns verabschiedete, uns „Buen Camino“ wünschte und wir zum Jakobsweg fuhren. Es sollte ein Pilotprojekt sein, meine Diplomarbeit, wir wollten andere Wege der Reha aufzeigen.

Ich erinnere mich, als wäre es letzte Woche: Die anstrengende Anreise mit einer Übernachtung in Bilbao (oder war es Bayonne?), der Busfahrt, der Zugfahrt: Sie liefen mir wie Entenküken hinterher, als wäre ich die Entenmama. Und ich dachte noch: Ohje… was soll das nur geben…

Doch dann: der alte Zug hielt quietschend in Saint Jean Pied de Port an, ein kleiner Bahnhof, ein kleines französisches Dorf mit Pflasterstein-Straßen. Und sie liefen los, alle 12 Frauen, vereint und jetzt schon innig miteinander verbunden. Plötzlich kehrte sich das Blatt um und ich lief hinterher. Wohin? Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, denn meine Planung ging genau bis zum Zugbahnhof. Doch mehr war auch nicht nötig: zielstrebig steuerte die Gruppe auf das Pilgerbüro zu. Erster Stempel, Muschel, Rucksacktransport, Buen Camino und los ging es.

Die Pyrenäen warteten auf uns, und die Frauen hatten ziemlichen Respekt vor ihnen. Verständlich: eine zweitägige Bergetappe gleich zu Beginn? Stetigen Schrittes ging es ½ Tag bergauf… die erste Herberge, hier hatte ich noch für alle reserviert, die erste und einzige Unterkunft, die ich für alle im Vorfeld reserviert hatte. Ab hier wusste jede: Jetzt bin ich auf mich selbst gestellt. Jede trägt ihren eigenen Rucksack (auch sinnbildlich gesprochen), jede sucht und findet ihren eigenen Weg…

Am nächsten Morgen: Wolken und Dunst, alles zog um uns mystisch empor, als wir die Berge hinaufstiegen. Nicole hatte ihre Wanderstöcke wie ein Kreuz über ihre Schultern gelegt und Schritt für Schritt für Schritt ging es weiter, kühle Luft, matschige Wiesen, ein Gerippe lag am Boden, bis es endlich bergab ging. Eine erste Herausforderung für die Knie.

Doch alle haben es mit Bravour gemeistert, die Vorbereitung hatte Frucht getragen, wir kamen alle im Kloster in Roncesvalles an, der nächsten Herberge.

Und dann, etwas, was mich absolut von den Socken gehauen hat:

Getrud kam zu mir, meine älteste Teilnehmerin, klein, schlank, um die 70 Jahre alt, gelocktes Haar. Sie strahlte mich an:

„Sabrina, jetzt habe ich die Pyrenäen geschafft, jetzt schaffe ich den Rest auch!“ Und da lagen noch 800 km vor ihr.

Es kommt mir vor, wie letzte Woche: Die Kraft kommt auf dem Weg? Ja, vor allem die psychische!!!

Ich wünsche allen Pilgern und Pilgerinnen BUEN CAMINO!!! Schritt für Schritt für Schritt… Vor allem wünsche ich ein ebenso unvergessliches Abenteuer, wie wir es damals erlebt haben mit prägenden Gesprächen, faszinierender Natur und dem Wissen: Die Kraft kommt auf dem Weg.